Einige Meilensteine des systemischen Diskurses

 

1991: Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen systemischer Praxis

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer, Dr. Arnold Retzer und Prof. Jochen Schweitzer

Vom 3. bis 7. April 1991 fand unter dem Titel »Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen systemischer Praxis« in Heidelberg ein interdisziplinärer Kongress statt, der international bekannten Theoretikern der Kybernetik, Systemtheorie, Systemtherapie und anderer Bereiche Gelegenheit bot, angesichts des Zusammenbruchs vieler großer Entwürfe und einer nie dagewesenen Vielfalt konkurrierender Paradigmen ihre Konzepte und ihre Praxis zu diskutieren. Der vorliegende Band vereinigt die wichtigsten theoretischen Beiträge dieses Kongresses.

1991 war die Zeit, in der „systemisch“ noch systematisch falsch geschrieben wurde – weil das Adjektiv noch ziemlich unbekannt und unverstanden war. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis die ersten Lehrbücher in „systemischer“ Therapie erschienen und systemische Therapie wissenschaftliche anerkannt wurde. Vor diesem Hintergrund war der damalige Kongress anlässlich der Emeritierung von Helm Stierlin ein Meilenstein, mit dem eine wichtige Etappe der Entwicklung systemischen Denkens markiert wurde. Neben berühmten Philosophen, System- und Selbstorganisationstheoretikern wurden auch Pioniere des systemischen Denkens aus allen Teilen der Welt eingeladen, um ihre Konzepte und therapeutische Praxis zur Diskussion zu Stellen. Weit mehr als 2000 Teilnehmer aus ganz Europa waren der Einladung gefolgt.

Referenten: Fritjof Capra, Gernot Böhme, E.I. Black, Carl Friedrich Graumann, Niklas Luhmann, D.B. Linke, Jürgen Kriz, H. Maturana, Kenneth Gergen, P. Watzlawick, H. von Foerster, E. von Glasersfeld, Steve de Shazer, M. Selvini-Palazzoli, Joseph Weizenbaum, Zygmunt Baumann, F. Varela, S.J. Schmidt, H. Stierlin, W. Welsch, u.v.a.

Publikationen:
Fischer, H. R., Retzer, A., & Schweitzer, J. (1992). Das Ende der großen Entwürfe. Frankfurt 1992.
Schweitzer, J. (Ed.). (1992). Systemische Praxis und Postmoderne. Suhrkamp., Suhrkamp 1992.

 

1992: Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Wie kommt Wirklichkeit zustande?

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

Der Kongress war ein interdisziplinäres Symposium zu Fragen konstruktivistischen Denkens und zu der Frage „Was ist Wirklichkeit und wie kommt die zustande?” und fand in der Stadthalle Heidelberg vom 15. vom 18. Oktober 1992 statt.

Referenten: O. Breibach, N. Luhmann, G. Vollmer, Gerhard Roth, Jürgen Kriz, C.F. Graumann, Helm Stierlin, Steve de Shazer, N. Groeben, E. von Glasersfeld, John H. Weakland, u.v.a.

Publikation:
Fischer, H. R. (1995). Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Zur Auseinandersetzung um Ein Neues Paradigma. Carl-Auer-Systeme: Heidelberg 1994., 2. Aufl. 1995.

 

1994: Konstruktivismus und Management

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

Am Ende unseres letzten Jahrhunderts zeichnete sich in vielen Wissensbereichen ein Ende der großen Entwürfe ab. In nie gekanntem Ausmaß brachen große, unter zweckrationalen Gesichtspunkten zusammengefasste Einheiten zusammen. Der Glaube an die unbegrenzte Steuer- und Planbarkeit von technischen und sozialen Prozessen war verloren gegangen. Die damalige Krise der Wirtschaft zeigte diesen Prozess in dramatischer Weise. Wir standen an einem Wendepunkt: fundamentale Veränderungen in den Organisationsformen und der Arbeitswelt zeichneten sich ab. Die MIT-Studie „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ hatte gezeigt, dass die tradierten Organisations- und Managementformen des Westens langfristig nicht überlebensfähig waren. Es ging um einen chancenreichen Paradigmenwechsel, der völlig neue Perspektiven in der Steuerung und Organisation von Unternehmen eröffnete. Vor diesem Hintergrund boten die Leitideen systemischen Denkens wie Selbstorganisation und Konstruktivismus eine neue Orientierung für das Management. International renommierte Wissenschaftler, Manager und Brater haben auf diesem Kongress im interdisziplinären Dialog sowohl die Fruchtbarkeit dieser Konzepte für die Managementpraxis ausgelotet als auch Leitlinien und Trends des systematischen Managements der Zukunft formuliert.

Referenten: Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Ervin Laszlo, Gilbert Probst, Paul Watzlawick, Birger Priddat, P. Heintel, F.B. Simon, u.a.

Publikationen:
Fischer, H.R. (1992). Management by bye? Philosophische Nachschläge zum Abschied vom Prinzipiellen. In: J. Schmitz, P., Gester u. B. Heitger (Hg), Managerie, 1. Jahrbuch für systemisches Denken und Handeln im Management., Heidelberg, S. 15-40.

Fischer, H.R. (1991). Selbstorganisation. Abschied vom Management? In: Karl W. Kratky, Systemische Perspektiven. Zur Theorie und Praxis systemischen Denkens. S. 207-224, Heidelberg.

Fischer, H.R. (1993). Die unsichtbare Hand in Organisationen. Ein Beitrag zur systemischen Managementphilosophie. In: P.W. Gester et. al. (Hg), Managerie, 2. Jahrbuch für systemisches Denken und Handeln im Management, S. 16-48

 

1996: Science-Fiction. Fundamentalismus und Beliebigkeit in Wissenschaft und Therapie.

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer, Dr. Arnold Retzer, Prof. Fritz Simon, Dr. Gunthard Weber

Referenten: Dirk Baecker, G. Böhme, B. Hellinger, H.v. Foerster, N. Luhmann, E.v. Glasersfeld, H. Maturana, D.B. Linke, O. Breidbach, H.M. Emrich, H. Stierlin, u.a..

 

1998: Weisen der Welterzeugung. Die Wirklichkeit des Konstruktivismus II.

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

Referenten: G. Abel, L. Ciompi, E.v. Glasersfeld, P. Janich, J. Kriz, T. Luckmann, J. Mitterer, Hilary Putnum, (USA), Kersten Reich, Gerhardt Roth, Gunther Schmidt, Jochen Schweitzer, Steve de Shazer, F. B. Simon, Wolf Singer, Helm Stierlin, Gunthard Weber, W. Welsch, H. White, u.a.

Publikation:
Fischer, H. R. (2000). „Von der Wirklichkeit des Konstruktivismus zu den Weisen der Welterzeugung. Zur Einführung “. FISCHER, HR u. SCHMIDT SJ (Hrsg.): Wirklichkeit und Welterzeugung. Bonn, 13-28.

 

2002: Eine Rose ist eine Rose ist.... Rolle und Funktion von Metaphern in Wissenschaft, Therapie und Beratung

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

Referenten: Michael Buchholz, Göttingen, Ulrich Clement, Heidelberg, Bernhard Debatin, Ohio/USA, Hinderk Emrich, Hannover, Hans Rudi Fischer, Joachim Funke, Heidelberg, Jochen Hörisch, Mannheim, Andreas Liebert, Trier, Detlef Linke, Bonn, Sabine Maasen, Basel, Sepp Mitterer, Univers. Klagenfurt/Österreich, Bernhard Pörksen, Hamburg, Falk Poessnecker, Hamburg, Arnold Retzer, Heidelberg, Francesca Rigotti, Lugano, Steve de Shazer, Milwaukee/USA, Harald Strohm, Sigmarszell, Peter Weingart, Bielefeld

Publikation:
Fischer, H.R. (2005): Eine Rose ist eine Rose... Zur Rolle und Funktion von Metaphern in Wissenschaft und Therapie. Velbrück/Weilerswist

 

2005: Die Wirklichkeit der Metapher

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

Referenten: Marco Bettoni, ETH Zürich, Michael B. Buchholz, Göttingen, Hans Rudi Fischer, Heidelberg, Joachim Funke, Universität Heidelberg, Peter Gasser-Steiner, Graz, Österreich, Ernst von Glasersfeld, Massachusetts, USA, Mark L. Johnson, USA, Oregon, Steve Lankton, Therapy, Phoenix, USA, Andreas Liebert, Koblenz, Josef Mitterer, Klagenfurt, Österreich, Arnold Retzer, Heidelberg, Francesca Rigotti, Lugano/Schweiz, Rudolf Schmitt, Zittau/Görlitz

 

2012: Wie kommt Neues in die Welt? Systemisch weiter denken...

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer

21 Jahre nach dem Kongress „Das Ende der großen Entwürfe und das Blühen systemischer Praxis“, gingen wir mit renommierten Experten aus Kreativitätsforschung, Psychologie, Philosophie, Humanwissenschaften, Kunst und Psychotherapie der Frage nach, wie Neues in die Welt kommt. Im Mittelpunkt stand der interdisziplinäre Dialog über das Verständnis von Schöpfungskraft, Kreativität und Innovationsfähigkeit in Wissenschaft und Kunst. Die Bedeutung dieses Dialoges für die Praxis in Therapie und Beratung, in Teams, Organisationen und Gesellschaften wurden in Vorträgen, Workshops und einem anspruchsvollen Kulturprogramm ausgelotet. Der Kongress war ein Forum, systemisches Denken und Handeln weiter zu entwickeln, um es vor Beliebigkeit oder dogmatischer Erstarrung zu bewahren und die Früchte des systemischen Diskurses in verschieden Feldern kritisch zu reflektieren.

Referenten: Rudi Ballreich,, Ricarda B. Bouncken, Clement Ulrich, Jürgen Kriz, Gunther Schmidt, Jochen Schweitzer, Maja Storch, Arist v. Schlippe, Gunthard Weber, Brodbeck Karl-Heinz, Elena Esposito, Oskar Negt, Ortmann Günther, Heinz K. Stahl, Hans Geisslinger,
Joachim Funke, Thomas Macho, Klaus Mainzer, Josef Mitterer, Birger Priddat, Francesca Rigotti, Gerald Hüther, Eckart Runge, Franz Schuh, Peter Weibel

Buchpublikation: Hans Rudi Fischer (2013, Hg): Wie kommt Neues in die Welt? Phantasie, Intuition und der Ursprung von Kreativität. Velbrück/Weilerswist.

 

2016: Die Kraft des Zweifelns. Systemische Praxis in Zeiten "sicheren" Wissens

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer, Dr. Ulrike Borst, Prof. Arist von Schlippe

Systemisches Denken hinterfragt die gewohnten Weisen, die Welt zu sehen. Getragen von der Einsicht, dass all unser Wissen nur relativ zu unseren Bezugssystemen gilt, stellte systemisches Denken tradierte Gewissheiten in Wissenschaft, Gesellschaft und alltäglichem Handeln in Frage. So lädt systemische Theorie zur Skepsis gegenüber vermeintlich sicherem Wissen ein und zeigt zugleich, dass eine solche Haltung mit einer gelingenden Handlungspraxis einhergehen kann.

Am pointiertesten zeigte sich der Unterschied zu anderen Positionen in den 1980er-Jahren im Umgang mit psychischen Abweichungen. Heftig wurde darüber gestritten, ob es sinnvoll ist, diese als „krank“ zu bezeichnen. Heute sind diese Debatten verstummt. Die kritische, selbstreflexive Haltung ist aus dem Denken weitgehend verschwunden, gesellschaftliche Reflexionssperren greifen um sich. Sie verhindern das Weiterdenken, weil sie mit Begriffen operieren, die man nicht mehr zu hinterfragen wagt: „Diagnose“, „Erfolg“, „Defizit“, „Gewinn“, „Effizienz“, „Evidenz“ und viele mehr.

Kaum merklich werden auf diese Weise die Denk- und Handlungsräume kleiner, in denen wir uns bewegen. So wird beispielsweise die Existenz psychischer Krankheiten als nicht mehr zu hinterfragendes Faktum gesehen, es wird eher danach geforscht, wo im Gehirn sie genau zu lokalisieren sind. Ebenso unmerklich gerät der Begriff „systemisch“ – auch durch seine Inflationierung – in diese unhinterfragbaren Sphären. Organisationsberatungen haben längst bemerkt, wie gut sich der Zusatz „systemisch“ verkauft. Inzwischen wurde auch der Systemischen Therapie das Etikett der „wissenschaftlich anerkannten“ Wirksamkeit verliehen. Im Rahmen des Symposions fragten wir, ob diese Entwicklungen dazu führen, dass allein der Verweis auf „abgesicherte“ Methodik ein Nachfragen erübrigt? Des Weiteren leuchteten wir aus, ob es der systemischen Therapie ähnlich ergehen wird wie der Verhaltenstherapie, die in den 1960er und 70er Jahren einmal mit einem sozialwissenschaftlichen Modell psychischer Störungen angetreten war, von dem heute aber keiner mehr spricht.

Referenten: Maria Borcsa, Ulrike Borst, Frank E.P. Dievernich, Angelika Eck, Hans Rudi Fischer, Allen Frances, Hans Geißlinger, Peter W. Gester, Ágnes Heller, Stefan Junker, Heiner Keupp, Heiko Kleve, Björn Kraus, Jürgen Kriz, Josef Mitterer, Cornelia Oestereich, Günther Ortmann, Bernhard Pörksen, Jonathan Rée, Martin Rufer, Günter Schiepek, Arist von Schlippe, Bernd Schumacher, Jochen Schweitzer, Fritz B. Simon, Heinz Klaus Stahl, Maja Storch, Jürgen Straub, Wolfgang Tschacher, Harald Welzer.

 

2018: Dienende Führung. Von der Gier zum Wir

Konzeption und wissenschaftliche Leitung: Dr. Hans Rudi Fischer, Dr. Hans Schlipat

In dieser instabilen Zeit, in der Bewährtes den zukünftigen Erfolg nicht mehr garantieren kann und eine Vielfalt an Werten den einen, verlässlichen Wertekanon abgelöst hat, betreten Führungskräfte eine „terra incognita“. Dies verlangt nach Orientierungen, die in eine neue ethische und gesellschaftliche Fundierung von „Führung“ münden.

Dieser Aufgabe haben wir uns auf dem Symposion „Von der Gier zum Wir“ gewidmet. Dabei reformulierten wir das in den USA entstandene Servant-Leadership-Konzept, indem wir es vom religiösen und missionarischem Eifer befreiten und so an die europäische Kulturtradition anschlussfähig machten.

Referenten: Prof. Dr. Gunter Dueck; Lars Eidinger; Prof. Dr. Amitai Etzioni; Dr. Hans Rudi Fischer; Ludger Halasz; Prof. em. Dr. Peter Gomez; Andreas Hohenstein; Svenja Hofert; Prof. Dr. Jochen Hörisch; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß; Manuela Mackert; Prof. Dr. Michael Martin; Prof. Dr. Timo Meynhardt; Prof. Dr. Birger P. Priddat; Prof. Dr. mult. Dr. h.c. Franz-Josef Radermacher; Rudolf X. Ruter; Prof. Dr. Sonja A. Sackmann; Dr. Hans Schlipat; Vera Schneevoigt; Prof. Gernot Schulz; Prof. Dr. Heinz Klaus Stahl; Rainer Voss